Interessiert man sich für britisch-deutsche Beziehungen und kulturelle Wahrnehmungen, stößt man stets auf das Urteil, dass Deutsche wenig, Engländer dagegen viel Sinn für Humor haben. Natürlich ist Humor eine Frage der Bildung, des persönlichen Geschmacks und des Zeitgeists, unstrittig ist aber in der wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Debatte, dass beide Humorarten ganz unterschiedliche Qualitäten haben. Betrachtet man Humor als Ausdruck gesellschaftlicher und kultureller Standards, ergibt sich die Frage nach der Herkunft dieser verschiedenen Normen.
Meine Arbeit basiert auf Hans-Dieter Gelferts Konzept von historischen Entwicklungslinien der beiden Humorarten und seinem sozio-kulturellen Erklärungsmodell, dargelegt in Max und Monty. Eine kurze Geschichte des englischen und deutschen Humors. Von diesem Ansatz ausgehend habe ich acht legendäre TV-Sketche des deutschen Humoristen Loriot und der englischen Komikertruppe Monty Python verglichen. Ich betrachte sie als Repräsentanten der jeweiligen Komik, sie sind heute noch beliebte Klassiker und in das kollektive Bewusstsein ihrer Kultur eingegangen.
Um phrasenhafte Stereotypisierungen zu vermeiden (die sich bei diesem Thema aufdrängen), war es wichtig, Kriterien zu finden, die Vergleichbarkeit herstellten. Dazu gehörten zeitliche und formale Analogie (die gleiche Entstehungszeit, TV-Sketche), sowie die Unterteilung in die Kapitel "Kulturfernsehen", "Beziehungsprobleme", "Fernseh-Demokratie" und "Wortwitz", um sichtbar zu machen, wie die selben Themen auf verschiedene Weise behandelt wurden.
Neben dem historisch-kulturellen Vergleich habe ich die klassischen Analysen des Humors gewürdigt, die das Thema methodisch unterfüttern. Viele Theoretiker haben das Lachen als sozialpsychologisches Phänomen und evolutionäre Geste interpretiert. Thomas Hobbes definiert das Lachen als Ausdruck von Überlegenheit, Immanuel Kant sieht es als Affekthandlung "einer gespannten Erwartung in nichts". Henri Bergson erklärt das Lachen als "Bestrafung" des Einzelnen, der dem Leben nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkt und dafür von der Gesellschaft gemaßregelt wird. Siegmund Freud konzentrierte sich auf die Wirkungsweise des Witzes und belegt dessen oft bösartige Intention. Helmuth Plesssners antwortet in seiner Untersuchung Lachen und Weinen auf die Vorgänger Freud und Bergson und beschreibt das Lachen als Antwort des Menschen auf eine unbeantwortbare Situation, der er sich entzieht und über die er sich mit dem Lachen stellt.
Im zentralen Kapitel werden die grundlegenden Thesen für die Verschiedenheit des deutschen und englischen Humors aufgestellt und an zahlreichen Beispielen aus Literatur und Karikatur der letzten Jahrhunderte illustriert.
Als grundlegende Merkmale des deutschen Humors gelten nach Gelfert das Bestreben, Harmonie und "Gemütlichkeit" herzustellen sowie den Staat implizit zu verteidigen oder - im Gegenteil - ihn von oben herab zu verspotten.
Der englische Humor dagegen ist böse, sadistisch, anarchisch (also von Grund auf ungemütlich), respektlos und stellt sich mit seinem Spott nicht über die Herrschenden, die er verspottet. Es dominiert die Selbstironie.
Einer der Gründe für diese Eigenschaften ist ein unterschiedliches staatsbürgerliches Verständnis. Deutsche lebten über Jahrhunderte hinweg in unsicheren territorialen Grenzen und undemokratischen Strukturen. Ein Ausweg der deutschen Intellektuellen war die Flucht in philosophische Spekulationen und metaphysische Idealvorstellungen vom Staat als moralische Instanz.
Der englische Humor dagegen entwickelte sich in einer Gesellschaft, die früh demokratische Strukturen und Parlamentarismus kannte und ein bürgerliches Selbstbewusstsein entwickelte. Darum war diese Öffentlichkeit nicht darauf angewiesen, zersetzenden Spott zu missbilligen. Gerade weil es gesicherte und allgemein akzeptierte Normen gab, konnte man es sich leisten, schwarz, makaber und böse zu sein - als zeitweise individuelle Befreiung von den Normen, die man grundsätzlich anerkannte. Diese vereinheitlichten nationalen Werte gab es im zerrissenen Deutschland der Fürstentümer nicht.
Man kann also den englischen Humor also als Ausdruck einer egalitären, demokratischen Gesellschaft deuten, den deutschen Humor als Ausdruck einer Gesellschaft, die sich ihrer politischen und kulturellen Identität ungewiss ist.
Beim empirischen Vergleich von Monty Python und Loriot erwiesen sich die Thesen zu den klassischen Merkmalen der beiden Humorarten als zutreffend. Monty Python bestätigten den Ruf des englischen Humors, absurd, anarchisch und oft geschmacklos zu sein. Loriot pflegte eine feinere Ironie, hatte moralistische und satirische Ansätze und stand damit in der deutschen Tradition.
Daraus ergab sich die Frage, ob sich der deutsche Humor dem englischen annähert, da (West)Deutschland seit dem 2. Weltkrieg ebenfalls demokratische Werte verinnerlicht hat. Auch dafür fanden sich in Loriots Sketchen Anhaltspunkte, denn obwohl er traditionelle Stilelemente verwandte, wich er in weiten Teilen vom klassischen deutschen Muster ab.
Abschließend lässt sich aber konstatieren, dass sich der deutsche Humor keineswegs unaufhaltsam dem englischen annähert. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass der englische Humor im deutschen Fernsehen unterrepräsentiert ist. Bis auf die beiden Formate "Smack the Pony" und "Couplings", die mit geringer Resonanz ausgestrahlt werden, gibt es auch im Jahr 2003 keine aktuelle englische Comedy im deutschen Fernsehen, die vom deutschen Publikum verstanden und akzeptiert wird.
Das spricht für die Annahme, dass der original englische Humor immer noch als zu bizarr und schräg empfunden wird und das deutsche Publikum den zahlreichen hiesigen "Comedians" den Vorzug gibt. Vielen von ihnen kann man aber eine "englische" Haltung attestieren; sie sind anarchisch, respektlos, boshaft und ohne moralische Botschaft. Sie lachen alles aus, ignorieren bewusst die Grenzen des ‚guten Geschmacks' und haben keine moralischen Erwartungen an Machthaber. Auch lassen sie sich massenwirksam vermarkten und weisen sogar selbstironisch darauf hin, dass sie für eine angemessene Summe korrumpierbar sind. Damit akzeptieren sie die marktwirtschaftlichen Gesetze, nach denen diese Gesellschaft funktioniert. Sie verachtet nicht den Staat, aber sie verspotten ihn und stellen sich nicht über die verspotteten Zustände.
Der Vorwurf, dass diese ‚Spaßgesellschaft' unkritisch und unpolitisch ist, legt als Maßstab das linke politische Kabarett an, das bis in die 1980er Jahre hinein stilprägend war (wie beispielsweise die Sendung Scheibenwischer). Es war bestimmt von der klassischen moralisierenden deutschen Satire. Es scheint so zu sein, dass diese top down-Haltung immer weniger Verständnis findet, da man sich nicht als Untergebener einer Staatsmacht sieht, sondern als Bürger in einer Gesellschaft, in der man die Macht nicht mehr als entfernt und feindselig ortet.
Somit haben sich Deutsche und Briten im kulturellen Selbstverständnis tatsächlich angenähert, aber nicht angeglichen. Der nationale Geschmack bleibt nach wie vor Dreh- und Angelpunkt des Humors. Es bleibt abzuwarten, ob sich Lebensbedingungen und bürgerliche Selbstbilder in Deutschland und Großbritannien eines Tages so ähneln, dass auch die Tonlage des Humors ununterscheidbar wird. An diesem Punkt scheinen wir noch lange nicht angelangt zu sein, was viele Briten sicherlich mit Erleichterung, viele Deutsche vielleicht bedauernd zur Kenntnis nehmen werden.