Richard Mayne: In Victory, Magnanimity - In Peace, Goodwill

A History of Wilton Park. London 2003

Rezension von Dr. Paul Fischer, Bayerische Staatskanzlei, München

Wilton Park ist ein einmaliges Phänomen: Einerseits (über das Foreign und Commonwealth Office) Teil der britischen Regierung, andererseits akademisch unabhängig; benannt nach seinem "Geburtsort" in Buckinghamshire, jedoch untergebracht in einem Jahrhunderte alten Herrenhaus namens Wiston House in West Sussex; in der Welt der Politik weithin bekannt, aber von einer breiteren Öffentlichkeit kaum wahrgenommen; ursprünglich gegründet, um die Demokratie im Nachkriegsdeutschland zu fördern, heute ein modernes Konferenzzentrum mit globalem Anspruch; ein Forum für den internationalen Dialog, nicht für britische Propaganda.

Schon seine Gründung 1946 war ein britisch-deutsches "Joint-Venture". Die versöhnliche Anregung Winston Churchills - der Titel des Buches "In Victory, Magnanimity - In Peace, Goodwill" ist Teil eines Churchill-Zitats - wurde von dem deutschen Historiker am Oxforder Magdalen College, Professor Heinz Koeppler, kongenial umgesetzt. Was folgte, ist eine Erfolgsgeschichte der deutsch-britischen Beziehungen, die ihresgleichen sucht.

Studien, die sich mit dieser Erfolgsgeschichte eingehend beschäftigen, waren allerdings bisher Mangelware. Wenn man von Dexter M. Keezer's Buch aus dem Jahre 1973 "A Unique Contribution to International Relations: The Story of Wilton Park" absieht, dann sind es vor allem zwei deutsche Magisterarbeiten, die sich mit der Entstehungsgeschichte Wilton Parks auseinandersetzten: Ortrud Honkes Magisterarbeit (1992) über "Wilton Park: An Anglo-German Conference Centre from 1946 to the Mid-1950s" (translated by Oliver and Illa Hayward) und Philip Bauers an der Ludwig-Maximilians-Universität München entstandene Arbeit (1999): "Wilton Park 1946 bis 1948: Eine Bildungseinrichtung für Deutschland zwischen Selbsterziehung und Umerziehung". Beide Arbeiten wurden mit dem Karl-Weishäupl-Preis des Vereins zur Förderung von Wilton Park ausgezeichnet und waren für das vorliegende Buch eine wertvolle Arbeitsbasis.

Mit seiner umfassend angelegten "Geschichte von Wilton Park" von den Anfängen bis heute schließt Richard Mayne somit eine schon viel zu lange bestehende

Lücke. Der angesehene polyglotte Historiker kannte und bewunderte Heinz Koeppler, er kennt und schätzt Wilton Park aus eigener Anschauung, und die Lektüre des 416 Seiten starken Bandes zeigt, hier schreibt jemand mit Herz und Verstand.

Die Stärke des Buches liegt vor allem in der Auswertung bisher unzugänglicher Quellen und der Zusammenfassung und Bilanzierung der einschlägigen Erkenntnisse. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Schilderung und Analyse der Schwierigkeiten, mit denen alle Leiter von Wilton Park in der fast 60-jährigen Geschichte des Hauses zu kämpfen hatten, insbesondere bei der Auswahl von Referenten und Teilnehmern in der Anfangsphase, später aber vor allem bei den Versuchen der Treasury, das Zentrum aus finanziellen Gründen zu schließen. Allein fünf der 27 Kapitel des Buches handeln davon. Mayne beschreibt und dokumentiert eindrucksvoll die leidenschaftlichen und letztlich auch erfolgreichen Bemühungen des Akademischen Beirats, des Foreign Office aber auch vieler Freundes- und Fördervereine weltweit, die Schließungen zu verhindern. Er versäumt es dabei nicht, das Engagement des von Karl Weishäupl, Paulita Veit, verh. Ewerling und Josef Winterholler 1957 in Deutschland gegründeten Vereins zur Förderung von Wilton Park zu erwähnen. Und er setzt deutschen Teilnehmern der ersten Stunde, die später das Nachkriegsdeutschland in Politik und Wirtschaft prägen sollten und die nicht zuletzt Mitglieder des deutschen Vereins zur Förderung von Wilton Park waren, ihm nahe standen und ihm nahe stehen, ein würdiges Denkmal: Rainer Barzel, Fritz Borges, Ursula Gravenhorst, Emil Maltzkuhn (sic: Matzkuhn), Ursula Hann-Brücher (sic: Hamm-Brücher), Gerhard Richter, Hans-Jochen Vogel, Karl Weishäupl werden neben vielen anderen prominenten deutschen "Pionieren" erwähnt.

Richard Mayne wirft aber nicht nur einen Blick zurück, in den fünf letzten Kapiteln (23 - 27) beleuchtet er eingehend das "neue" Wilton Park, das sich seit Anfang der 80er Jahre mit dem Amtsantritt von Direktor Geoffrey Denton abzeichnet und von dessen Nachnachfolger Colin Jennings schwungvoll ins 21. Jahrhundert geführt wurde. Über all die Jahre hat sich Wilton Park aus einer deutsch-englischen Begegnungsstätte zu einem europäischen Gesprächsforum und schließlich in den letzten Jahrzehnten zu einer weltweiten Einrichtung entwickelt, in der die Kunst des politischen Gesprächs und des kreativen Gedankenaustauschs über alle weltanschaulichen und parteipolitischen Grenzen hinweg gepflegt wird und auch heiße politische Eisen - Mayne erinnert an die frühen Kontakte Wilton Parks zu China - angefasst werden. Es ist heute die kleinste Executive Agency des Foreign and Commonwealth Office mit ca. 30 Mitarbeitern, es organisiert etwa 50 viertägige Konferenzen im Wiston House pro Jahr, ein weiteres Dutzend mit Partnern aus der ganzen Welt, darunter auch die Bayerische Staatskanzlei, mit der Wilton Park nach der Schließung aller Regionalzentren des British Council in Deutschland das 1980 gegründete "Deutsch-Britische Seminar für höhere Beamte und Richter des Freistaates Bayern" auf Schloss Hohenkammer in der Nähe von München weiterhin durchführt. Das einmal jährlich durchgeführte "Young German-British Forum" für junge deutsche und britische Entscheidungsträger ist eine aufmerksame Reminiszenz des "neuen" Wilton Park an seine deutsch-britischen Anfänge.

Bilder aus dem "Fotoalbum" von Wilton Park runden den hervorragenden Gesamteindruck eines wissenschaftlich fundierten, gut lesbaren und streckenweise sogar spannenden Buches ab, das nicht nur Historikern und Diplomaten, sondern auch all denjenigen ans Herz gelegt werden kann, die einen Blick hinter die Kulissen einer faszinierenden Einrichtung der deutsch-britischen und internationalen Beziehungen werfen wollen.